Deutscher Impressionismus?
Was unterscheidet den deutschen vom französischen Impressionismus?
Mit der wundervollen, eindrücklichen Ausstellung im Museum Frieder Burda in Baden-Baden mit dem Untertitel "Max Liebermann und seine Zeit" stellt sich diese Frage unmittelbar.
Die Antwort darauf ist vielfältig. Die bemerkenswerteste ist für mich diejenige, dass diese Phase als eine Epoche des Innehaltens in Deutschland vor dem Umbruch mit dem II. Weltkrieg zu verstehen ist. Nichts ist danach wie zuvor.
Es ist Max Liebermanns malerisch und kulturpolitisch bedeutsames und einflussreiches Wirken, das diesen Zeitraum ab dem 2. Kaiserreich, mit dem deutsch-französischen Krieg 1870/71, und der Machtübernahme durch Hitler 1933 in besonderer Weise markiert. Sie endet abrupt angesichts dem, was dann passiert.
Die Epoche selbst zeichnet sich - im Nachhinein - durch ein bemerkenswerten Moment der Utopie, ja der Verklärung, aus. Denn in den über 100 zumeist kleinformatigen Tafelbildern in der Ausstellung, die jenseits von elitären monarchischen und einschränkenden religiösen Interessen für den häuslichen Gebrauch gedacht sind, zeigt sich eine Zuversicht über eine Einheit zwischen Menschen und mit der Natur, die erstaunt. Sie sprechen von Kindern, die die Zukunft spielerisch frei angehen. Sie erzählen vom unbekümmerten Bewegen im Freien. Sie vermitteln stille Freude und Hoffnung. So leben kleine Geschichten in uns auf: von der Freude am gemeinsamen Schlittschuhlaufen, von Parkbesuchen und Opern-, Tanz- und Theateraufführungen, aber auch von zufriedenen Bauern auf dem Acker und gut versorgten Waisenkindern. Sie prägen die Bilderzählungen. Die repräsentative Überschau mit 22 Vertreter:innen des Deutschen Impressionismus regen zum Miterleben bzw. Flanieren durch eine vergangene Epoche an.
So ziehen diese eher kleinformatigen, leicht hingetupften, von der Plein Air Malerei geprägten Gemälde an uns wie ein Traum vorbei. Einfüsse der Schule von Barbizon im Wald von Fontainebleau bei Paris und solche des Impressionismus in Frankreich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts werden darin offenkundig. Daneben sind jedoch auch solche erkennbar, die mit Beginn des 20. Jahrunderts in Deutschland durch den Expressionismus aufkommen, sei es durch die Werke Paula Modersohn Beckers, Gabriele Münters oder Ernst Ludwig Kirchners aus Worpswede bei Bremen, dem Münchner Raum oder aus Dresden und Berlin. Es ist das Aufgreifen ihres expressiven Farbenspiels, das die von stiller Einheit geprägten Erzählungen der Deutschen Impressionisten befeuert und die Ausstellung zu einer Augenweide macht.
Erst die blühenden Gärten nahezu
ohne
Menschen aus der letzten Lebensphase Liebermanns bis 1935 machen die Wehmut und den Verlust der Zuversicht, Freude und Hoffnung auf die Zukunft, die diese Epoche bis dato ausstrahlte, offensichtlich. Das wird auch durch Liebermanns überlieferte Worte im Berliner Dialekt deutlich, die er angesichts des Fackelzugaufmarschs entlang des Pariser Platzes in Berlin anlässlich der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 äußerte:
„Ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen möchte.“
Ausstellung und Katalog wurden gemeinsam mit dem Museum Barberini in Postdam von Ortrud Westheider und Daniel Zamani mit Valentina Plotnikova und Christiane Righetti kuratiert. Sie wird ab 28. Februar – 7. Juni 2026 in Potsdam unter dem leicht abgewandelten Titel "Avantgarde. Max Liebermann und der Impressionismus in Deutschland" gezeigt.

Daniel Zamani, künstlerischer Direktor bei der Einführung zur Ausstellung des Deutschen Imressionismus. Max Liebermann und seine Zeit. Hier vor dem Bild von Gotthardt Kuehl, Waisenkinder in Lübeck, 1884, Öl a.L., 98 x 125 cm, Albertinum, Dresden.
Foto: Martina Sauer 30.09.2025
Vgl. ergänzend Angebote von mir (onsite und online) zu Führungen durch die Ausstellung im Museum Frieder Burda bis 8.2.2026

Christian Landenberger, Sommerabend am See, 1904, Öl a.L., 115 x 141 cmNeue Pinakothek München, Foto: Martina Sauer, 8.2.2025