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Bild - Kultur - Philosophie

Kunst = Unterhaltung = Menschen verbinden? Daher sollten wir investieren?

Martina Sauer • 6. Juni 2025

Ausgangspunkt:


In Großbritannien wurde die Tage, am 18.3.2025, von der Regierung eine Programm herausgebracht, um jungen Menschen in der Ausbildung einen Schub durch kreative Angebote zu geben (https://www.gov.uk/government/news/young-people-to-benefit-from-creative-education-boost, 8.6.2025 Aufruf). Dabei vertritt sie hintergründig die Meinung, dass die Unterhaltung durch die Künste, Menschen miteinander verbinde, und darin will sie investieren.


Kommentar:


Diese Annahme löste bei mir einige Fragen aus bzw. das Bedürfnis hier ein Missverständnis, mit Blick auf die Funktion der Künste zu klären. Wobei die Aussage stimmt, doch sie greift viel zu kurz:


Wie wichtig die Künste sind, zeigt sich uns aus kunstphilosophischer Sicht bereits bei Platon und Kant. Sie lehnten beide die Künste ab, weil sie mit Platon - ohne das wir es merken - den "musischen enthousiamós" auch für das Falsche wecken bzw. mit Kant "als Maschinen der Überredung" missbraucht werden können.
 
Im Kern hatten jedoch sowohl Platon als auch Kant die falschen Schlussfolgerungen gezogen: Sie zu "verbieten" bringt nichts, wie es neurowissenschaftliche und entwicklungspsychologische Erkenntnisse im Rahmen meiner bild- und kulturphilosophischen Forschungen zu
Vitality Semiotics (VS) heute zeigen. Vgl. Sauer 2023: https://doi.org/10.11588/artdok.00009303.
 
Denn jedes Tun von uns - das schon immer ein Gestalten ist - ist insofern schon immer mit den Künsten verwurzelt.
 
Die Vernachlässung der Künste und damit deren Fähigkeiten, Ordnungen bzw. Regelsysteme über ein Gefühl für Takt bzw. Rhythmus zu fördern; sie zu verinnerlichen und zu bewerten und darüber für zukünftige Aspekte zu öffnen, gehen damit unter. Die Unkenntnis darüber führt zu einem Wildwuchs, sodass die Impulskräfte der Künste im politischen Umfeld nicht bemerkt werden. Daher warnte Sokrates bzw. sein Sprecher Platon vor der Rhetorik (die Kunst der politischen Rede zur Überzeugung). Um ihr angemessen zu begegnen, sollen wir uns auf eine Wiese legen und beim Lauschen der Zikaden (den Künsten) auf das Richtige besinnen. Kant mahnte in diesem Zusammenhang an, dass wir uns um ein "ästhetisch reflektierendes Urteil" bemühen sollten, statt nur dem ästhetischen, rein körperlich geprägten Urteil blind zu folgen. Vgl. hierzu Sauer [2012] 2018, S. 202-211 (Platon), S. 226-233 (Kant): ):
https://doi.org/10.11588/arthistoricum.344.471.
 
Die Künste unterzubewerten (= nur gemeinschaftsstiftend) und ihr Potential zu unterschätzen ( = Enthusiasmus für etwas zu wecken) ist bemerkenswert, zumal es unseren wachen Geist braucht, um sie nicht nur zu genießen, sondern uns darüber klar zu werden, zu was sie uns aufrufen.
 
Unser Urteil über die Künste, das sich in der Tendenz zur Streichung der Fächer in den Schulen (dieser "nutzlosen" oder "nur" für eine Bildungsschicht bedeutsamen Unterrichtseinheiten) gerade heute - in unserer vernetzten, sozial-politisch brisanten Zeit - zeigt, ist ein Spiegel davon, wie wenig bewusst wir uns ihres Wirkens sind und wie sehr wir sie unterschätzen:


Im Guten wie im Schlechten.






Bemerkungen