"ICH WOLLTE PAPST WERDEN". Anselm Kiefer zur Eröffnung des HAUS KIEFER in Ottersdorf im Badischen Rastatt am 27.4.2025

Foto: Anselm Kiefer während der Eröffnung des HAUS KIEFER, 27.4.2025 © Martina Sauer
„Ich wollte Papst werden“, antwortete der heute 80-jährige Anselm Kiefer, einer der bedeutendsten Nachkriegskünstler der Gegenwart, auf die Frage nach seinem Berufswunsch als Kind. Hieraus spricht die Bewunderung eines jungen Ministranten für ein leuchtendes Vorbild, letzlich von guten Taten im Namen des Herrn.
Anlass sich daran zu erinnern, bot dem Künstler die Eröffnung des HAUS KIEFER in seiner Heimat, der Auenlandschaft am Rhein im badischen Ottersdorf, einem Stadtteil von Rastatt. Zur Feier dieses Ereignisses wurde am 27. April 2025 Wim Wenders’ Porträtfilm „Anselm. Das Rauschen der Zeit“ aus dem Jahr 2023 gezeigt. In diesem nahezu wortlosen Werk stellt der Filmemacher den Künstler einfühlsam vor, indem er den Blick auf dessen meist monumentale Werke und sein Arbeiten daran richtet – sei es auf Hebebühnen im Odenwald, in Paris oder auf seinem 40 Hektar großen Ateliergelände in Barjac im Süden Frankreichs. Dieses Gelände wurde ihm einst von dem damaligen französischen Kultusminister Jack Lang vermittelt.
Mit dem Erwerb und dem Umbau des ehemaligen Schulhauses bzw. späteren Wohnhauses für die Familien der Lehrer in Ottersdorf zum Museum, in dem der Künstler von 1951 bis 1957 seine Kindheit verbrachte, gibt er uns einen tiefen Einblick in sein Schaffen. Mit der ersten Ausstellung "für Julia" werden Arbeiten aus den Jahren 1971 – 1986 gezeigt.
Nach langen Jahren lässt sich seine Initiative für das HAUS KIEFER als eine Rückkehr des durch Anfeindungen „verlorenen Sohns“ in seine Heimat, in die von ihm als Kind geliebte Auenlandschaft am Rhein, verstehen. Sie steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit seinem Werk, mit dem er sich von Beginn an mit dem Phänomen des Nationalstolzes vor allem in der NS_Zeit, mit dem Herrschaftsanspruch und den Folgen daraus beschäftigte. Auf wie viel Ressentiments eine solche Beschäftigung gerade in Deutschland der Nachkriegsjahre stieß, wurde gleich zu Beginn seiner Karriere deutlich. Denn seine Abschlussarbeit an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe Besetzungen. Zwischen Sommer und Herbst 1969 habe ich die Schweiz, Frankreich und Italien besucht. Ein Paar Fotos (vgl. Abb. Cover) wurde abgelehnt, obwohl sie im Akademie-Senat von dem Maler Rainer Küchenmeister, der selbst im KZ inhaftiert war, verteidigt wurde. Weitere nachfolgende Arbeiten, in denen er sich mit der durch Nationalsozialismus und Krieg geprägten deutschen Vergangenheit auseinandersetzte, wurden ebenfalls - vor allem in Deutschland im Gegensatz zum Ausland - zurückgewiesen. Seine Einladung gemeinsam mit Georg Baselitz 1980 auf der Biennale in Venedig Deutschland zu repräsentieren, bildet dabei eine rühmliche Ausnahme.
„Bin ich ein Faschist?“, war die zentrale Frage an sich selbst, die sich seiner Auffassung nach eben nicht so leicht beantworten lässt: "Autorität, Konkurrenz, Überlegenheit […] sind Facetten von mir wie von jedem anderen. Zu sagen, ich bin das eine oder etwas anderes, ist zu einfach. Ich wollte die Erfahrung malen und dann die Antwort.“ (Aussage gegenüber einer amerikanischen Journalistin 1987)
Foto aus "Besetzungen", 1969, von und mit Anselm Kiefer über seinen irrwitzigen Versuch, das Meer sich untertan machen zu wollen.
Damit verweist der Künstler auf die Absurdität des Anspruchs auf Weltherrschaft nicht nur über die Menschheit, sondern auch über die Natur.
Vgl. vertiefend zu Anselm Kiefer, die durch den Hans und Lea Grundig-Preis der Rosa-Luxemburg Stiftung ausgezeichnete Schrift von Martina Sauer zu den Deutschlandbildern Anselm Kiefers [1. Aufl. 2012] 2018: https://books.ub.uni-heidelberg.de//arthistoricum/catalog/book/344

Gibt es einen Schimmer von Hoffnung oder Aussichten auf einen neuen Ansatz angesichts der Politik der Verbrannten Erde des Hitler Regimes?
Es ist erstaunlich wie Anselm Kiefer hierzu ein Motiv findet, in dem auf dem durch die Politik der Verbrannten Erde der Nationalsozialisten zerstörten Acker Blumen aufblühen: Sie können als Zeichen der Hoffnung und des Aufbruchs zu Neuem gelesen werden.
Mit dem Titel Blumen im gebrochenen Gras verweist Kiefer zugleich auf das Liebesgedicht Unter den LInden, um 1200, des mittelalterlichen Dichters Walter von der Vogelweide und damit auf einen Weg, wie Menschen über die Liebe zueinander und Lösungen für ein friedliches Miteinander finden können.
Foto aus der Ausstellung: Anselm Kiefer, Gebrochene Blumen im Gras, 1979 © Martina Sauer
Sich der Verantwortung für sein Tun zu stellen, diese Herausforderung scheute Anselm Kiefer nie. Bereits sein jungendlich-unbekümmerter Wunsch Papst zu werden, spricht davon. Das sollten wir uns heute neu zum Vorbild nehmen. Die Zeichen der Zeit fordern dazu auf.
Führungen durch die Ausstellung mit Martina Sauer finden am
2. August 2025, 15:00
und am 3. Oktober 2025, 11:00 und 16:00 statt. Tickets
ausschließlich online unter:
https://haus-kiefer-rastatt.de/ und nach Vereinbarung mit dem Haus.